Der Wanderfalke (Falco peregrinus)                                                                                                              

Foto: Bernd Zoller
Foto: Bernd Zoller

 

Artporträt und Informationen zum Wanderfalkenschutz in NRW und speziell im Kreis Siegen-Wittgenstein:

 

„Der schnellste Vogel der Welt ist zurück“, so betitelte der NABU NRW 2008 in seiner Mitgliederzeitschrift einen Aufsatz zu dem überaus erfolgreichen Wanderfalkenschutzprojekt in NRW. Eine seltene Erfolgsgeschichte  im Artenschutz!

Der größere weibliche Wanderfalke erreicht fast Mäusebussardgröße, der männliche Falke ist etwa 30 % kleiner. Bei der Jagd erzielen Wanderfalken Geschwindigkeiten von bis zu ca. 300 km/h im Sturzflug auf Beutevögel, die im Flug geschlagen werden. Sie ernähren sich also fast ausschließlich von Vögeln, die sie im Luftraum anjagen können. Die Größe der Beute variiert von Meisen bis Rabenkrähen, die Hauptbeute nach Stückzahlen machen Drosseln, Stare und Finken mit etwa 70 % aus. (Rockenbauch 2002 für die Schwäbische Alb). Auch Stadt- und Haustauben gehören zum Beutespektrum. Die größeren Beutetiere bleiben dabei dem deutlich stärkeren Weibchen vorbehalten. Ca. im März legt das Weibchen 3-4 Eier, die ca. 32 Tage bebrütet werden. Nach weiteren etwa 6 Wochen sind die Jungvögel flügge.

 

Da die Wanderfalkenpopulation 1969 in NRW durch Pestizide – die Eierschalen zerbrachen, da sie zu dünn waren –, Verfolgung durch Taubenhalter und Aushorstung durch Falkner erloschen war, schlossen sich Anfang der 1980er Jahre um Dr. Peter Wegner einige Ornithologen zusammen, die dem Wanderfalken durch Aufklärung der Bevölkerung und Optimierung möglicher Brutplätze auch in unserem Land wieder eine neue Chance geben wollten. (Insbesondere in Baden-Württemberg gab es noch eine Restpopulation, aus der man sich eine Neubesiedlung erhoffte.) Der erloschene Bestand konnte tatsächlich durch Zuwanderung wieder aufgebaut werden. Mit stärker steigenden Brutpaarzahlen ab Anfang der 1990er Jahre gründete sich unter dem Dach des NABU die Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz NRW (AGW).

 

Da Felsen und Steinbrüche, die ursprünglichen Bruthabitate der Wanderfalken, in jüngster Zeit mehr und mehr vom Uhu besiedelt wurden, konnten dort vielfach keine erfolgreichen Wanderfalkenbruten mehr stattfinden, weil der Uhu zur Versorgung seines Nachwuchses häufig die rufenden Jungvögel aus dem Nest der Wanderfalken holt, wenn er in der Nähe brütet oder bereits vorher die brütenden Weibchen erbeutet. In NRW wurden Wanderfalken Bauwerke als „Ersatzfelsen“ angeboten, was sich als sehr erfolgreich herausstellte. So wurden zunächst vorwiegend im Ruhrgebiet und an der Rheinschiene durch Montage von Nisthilfen Zechenanlagen, Kraftwerke und weitere hohe Industriebauten erfolgreich als Niststandorte etabliert. Später kamen Funkmasten, Brücken, Kirchtürme und Hochspannungsmasten hinzu. Hieß es zunächst „je höher die Nistmöglichkeit umso größer die Ansiedlungschance“ ist dies mittlerweile überholt: Im Jahr 2010 brütete ein Wanderfalkenpaar erfolgreich in nur ca. 15 m Höhe an einer Brücke in einem von Rabenkrähen gebauten Nest.

 

Im Jahr 2019 gab es in NRW 237 Revierpaare und 441 ausgeflogene Jungfalken, von denen erfahrungsgemäß etwa 50 % das 1. Lebensjahr überleben. Jedes weitere Jahr überleben ca. 90% der dann noch lebenden Jungfalken, so erreichen rein rechnerisch ca. 40 % der Jungvögel das 3. Lebensjahr, ab dem sie sich i.d.R. erst fortpflanzen.

 

Wegen der anstehenden und bereits begonnenen Brückenneubauten im Verlauf der A 45 und an weiteren Autobahnen in NRW, werden sich Änderungen hinsichtlich der Brutmöglichkeiten durch notwendige Verlagerungen von Brutplätzen ergeben. Wie sich diese Maßnahmen auf das Brutergebnis auswirken, bleibt abzuwarten. Festzustellen ist jedoch, dass es mit Straßen NRW eine erfreulich harmonische  Zusammenarbeit gibt.

 

 

Kreis Siegen-Wittgenstein - Historisches und Aktuelles:

 

Nachdem klar war, dass der Wanderfalke auch an Bauwerken erfolgreich brütet, wurde von dem damaligen Leiter der AGW, Dr. Peter Wegner und Mitarbeitern, in verschiedenen Regionen von NRW nach „Ersatzfelsen“ als geeigneten Brutplätzen Ausschau gehalten. So wählten sie auch im Kreisgebiet ein hohes Bauwerk aus. Dort wurde im Herbst 2003 eine Nisthilfe angebracht. Bereits im folgenden Jahr hatte sich dort ein Wanderfalkenpaar angesiedelt und es kam zu einer ersten erfolgreichen Brut im Kreisgebiet: 2 junge Wanderfalken flogen aus. Hier wurde nunmehr jedes Jahr bis 2012 erfolgreich gebrütet. Von Herbst 2012 nutzte ein Uhu den Nistkasten als Tageseinstand bis er im Herbst 2014 tot gefunden wurde. Der Wanderfalke wurde dadurch 2013 und 2014 am Brüten gehindert, da er dem Uhu unterlegen ist und ihn nicht vertreiben konnte. Eine Ausweichmöglichkeit gab es offenbar für das Wanderfalkenpaar nicht. Im Jahr 2007 gab es dann überraschend an einem weiteren Bauwerk, sogar ohne Nisthilfe, eine Brut, aus der 3 Jungvögel ausflogen. Auch dort wird seit dieser Zeit i.d.R. erfolgreich gebrütet.

 

Zwei weitere Besiedlungen von Bauwerken erfolgten 2011.

 

Im Jahr 2014 wurde eine seit dem Jahr 2008 angebotene Nisthilfe erstmals beflogen und es gab mit 3 ausgeflogenen Jungvögeln einen guten Auftakt.

 

2019 gab es 7 Wanderfalkenreviere im Kreis mit 5 erfolgreichen Bruten. Es flogen 14 Jungvögel aus.

 

Seit einigen Jahren werden erst dann Nisthilfen montiert, wenn sich bereits ein Wanderfalkenpaar angesiedelt hat, aber aus früherer Zeit warten noch Nisthilfen auf ihre Besetzung, wobei auch andere Arten natürlich willkommen sind! Ein Turmfalkenpaar hat sich z.B. in der Nisthilfe im Turm der Kreuzkirche in Kreuztal angesiedelt. Dort brütet es nach der Renovierung seit 2013 wieder erfolgreich in einem neuen Kasten.

 

Ende 2013 gab es leider eine kriminelle Aktion, durch die ein Wanderfalkenweibchen zu Tode kam. Der tote Vogel wurde am 1.1.2014  im Bereich Siegen-Eisernhardt mit frischen Fleischstücken in Rachen und Kropf aufgefunden und u.a. toxikologisch untersucht. Bei dieser Untersuchung ergab sich eine Vergiftung in hoher Dosis mit dem auch für Menschen und Haustiere sehr gefährlichen Kontaktgift Carbofuran. Nachdem dies feststand, wurde Strafanzeige bei der Kriminalpolizei in Siegen erstattet. Mit Unterstützung der Pressereferentin des NABU NRW, Frau Königs, dem Komitee gegen den Vogelmord in Person von Axel Hirschfeld und dem Leiter der Stabsstelle für Umweltkriminalität im Umweltministerium NRW, Herrn Hintzmann, der auch eine Anzeige verfasste, gab es eine umfangreiche Berichterstattung in den lokalen Medien. Leider konnte der Täter weder nach Anzeige bei der Kriminalpolizei, noch durch Aufrufe in der heimischen Presse ermittelt werden. (Nach den bisherigen Erfahrungen der Wanderfalkenschützer kommen für die Tat Taubenhalter in Betracht, da Brieftauben zum Nahrungsspektrum von Wanderfalken gehören.) Auch die Aussetzung einer Belohnung von 2.500 € brachte leider keinen Erfolg, so wurde das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Siegen vorläufig eingestellt.

 

Im Jahr 2018 gab es dort einen weiteren Totfund. Die Todesursache konnte nicht festgestellt werden. Im Jahr 2019 wurde in der Nisthilfe trotz begonnener Brut nicht erfolgreich gebrütet. Nach meiner Vermutung sind dort kriminelle Kräfte am Werk. Mittels übertragbarer Videotechnik soll nun versucht werden, den oder die Täter zu ermitteln.

Die Anbringung und/oder die Anregung zur Montage von Nisthilfen erfolgte teilweise auch in den Nachbarkreisen OE, MK, HSK, GM und LDK. Unterstützung erhielt ich durch die jeweiligen Bauwerkseigentümer, ohne die eine Anbringung von Nisthilfen  nicht möglich ist.

 

Ich suche zuverlässige Vogelfreunde, die diesen faszinierenden Greifvogel beobachten, kontrollieren und noch unbesetzte, aber geeignete Plätze im Auge behalten. Bitte melden Sie sich!

 

Alfred Raab, Email A.C.Raab@gmail.com,

Stand Februar 2020

 

(Ich bitte um Verständnis, dass aus Schutzgründen die Standorte der Nistplätze nicht näher bezeichnet werden.)