Biodiversität und Klimawandel


In Berichten zu Klimawandel und Umweltproblemen taucht immer wieder das Wort Biodiversität auf. Dieser Begriff ist gerade für uns Naturschützer von großer Bedeutung und es ist daher wichtig zu wissen, was Biodiversität genau bedeutet.

 

Am besten lässt sich Biodiversität durch Biologische Vielfalt übersetzen. Es geht dabei um die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme. Der Begriff umfasst nicht nur die (reinen) Arten von Tieren, Pflanzen, Moosen, Flechten, Pilzen und Mikroorganismen sondern auch die innerartliche genetische Vielfalt, d.h. die Unterscheidung in Unterarten und regionale Varietäten bis hin zu genetisch unterschiedlichen Populationen.

Diese genetische Vielfalt ist für die Natur eminent wichtig, um sich immer wieder an neue Lebensumstände anpassen und weiterentwickeln zu können. Daher schließt die Biodiversität auch die Lebensräume der Organismen und die Ökosysteme mit ein.

Biologische Vielfalt oder Biodiversität ist letztlich alles das, was zur Vielfalt der belebten Natur beiträgt.

 

Die Biologische Vielfalt ist nicht nur für die Naturentwicklung wichtig sondern auch essentiell für das menschliche Leben. Man denke nur an die Sauerstofflieferanten oder die Bindung von CO2.

Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen sind Träger des Stoffkreislaufs. Sie reinigen Wasser und Luft, sorgen für fruchtbare Böden und angenehmes Klima, sie dienen der menschlichen Ernährung und Gesundheit und sind Basis und Impulsgeber für zukunftsweisende Innovationen.

 

Das, was viele immer noch nicht wahrhaben wollen: Nur eine intakte Natur ermöglicht heutigen und zukünftigen Generationen eine hohe Lebensqualität; u.a. durch natürliche Produkte, ansprechendes Wohnumfeld und erholsame Landschaften, die gleichzeitig auch Wurzel der regionalen Identität der Menschen sind.

 

Dabei wollen wir nicht vergessen, welche große Bedeutung die Biologische Vielfalt für die Ökologie hat.

Je höher die genetische Vielfalt, desto eher ist die Anpassungsfähigkeit der Arten an sich verändernde Umweltbedingungen gegeben. Dies hat vor dem Hintergrund des stattfindenden Klimawandels eine entscheidende Bedeutung. Ökosysteme mit natürlicher Vielfalt an Arten können Störungen (z.B. im Wasser-, Boden-, Lufthaushalt sowie Nährstoffkreislauf) besser abpuffern als Ökosysteme, in denen viele Arten bereits ausgestorben sind.

Intakte Ökosysteme tragen dazu bei, Katastrophen zu vermeiden bzw. deren Ausmaß zu mindern. Wohl aber können Naturzerstörungen Katastrophen verursachen: Begradigung von Flüssen und Verlust von Auwäldern verstärken Hochwasserereignisse. Rodungen im Bergwald und Übernutzung der Bergökosysteme führen zu Abgängen von Lawinen und Muren. Erosionen durch nicht nachhaltige Bodennutzung in der Landwirtschaft führen zum Verlust fruchtbarer Ackerböden.

 

Dies zeigt auch die Wichtigkeit der Biodiversität für die Ökonomie.

Der jährlich Marktwert der aus den genetischen Ressourcen abgeleiteten Produkte wird auf 500 – 800 Milliarden US $ geschätzt. 50 % der heutigen Arzneimittel basieren auf Heilpflanzen und deren Inhaltsstoffen.

So entwickelte man z.B. aus den Inhaltsstoffen der amerikanischen Eibe eines der wichtigsten Arzneimittel gegen Brustkrebs. Im Schneeglöckchen fand man einen Stoff, den man heute gegen die Alzheimer Krankheit einsetzt. Durch das Studium der amerikanischen Krustenechse fand man Botenstoffe, die jetzt zur Behandlung des Diabetes genutzt werden.

Auch der Tourismus ist angewiesen auf schöne und intakte Natur und Landschaft (in der BRD arbeiten ca. 3 Millionen Beschäftigte in solchen Bereichen).

Die Natur liefert Leistungen, die sonst mit erheblichem technischem Aufwand gelöst werden müssten:

-     Je intakter die Selbstreinigungskräfte der Böden und Gewässer, desto einfacher und

kostengünstiger ist die Gewinnung von Trinkwasser.

-     Je stärker die Begrünung der Innenstädte, desto mehr Stäube und Schadstoffe werden auf

natürlichem Wege aus der Luft gefiltert.

-     die Bestäubung der Kulturpflanzen durch Insekten ist über Technik nicht zu leisten.

-     Leistungen der Natur in Bezug auf ästhetische Werte (Schönheit, Landschaftsbild) und

Erholung.

 

Biodiversität hat auch für unser soziales und kulturelles Leben Bedeutung. Naturerfahrung und Naturerlebnis sind für die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen sehr wichtig, schulen sie doch die sinnliche Wahrnehmung. Natur mit allen Sinnen erleben stärkt das Lebensgefühl und ist wichtiger Aspekt der Lebensqualität des Menschen. Regionale Vielfalt an sich ist ein erhaltenswertes Kulturgut.

Nicht zuletzt gibt es Ethische Gründe, sich mit Biodiversität zu befassen. Wird der Natur ein Selbstwert an sich zugeordnet, begründet dies auch eine Verpflichtung, die gesamte Biologische Vielfalt zu erhalten.

 

Aber wie sieht es mit der Erhaltung der Biologischen Vielfalt speziell in Deutschland aus ?

Von den in Deutschland heimischen 3000 Blüh- und Farnpflanzen sind jetzt schon 26,8 % bestandsgefährdet und befinden sich auf der Roten Liste.

Noch schlimmer sieht es bei heimischen Tierarten aus. 36 % stehen auf der roten Liste und von den Lebensräumen sind sogar 72,5 % gefährdet. Deutschland erreicht mit diesen Gefährdungsraten mit die höchsten Werte in Europa.

Die Gründe dafür sind allen bekannt:

-  Zerstörung und Zerschneidung von Lebensräumen durch Siedlungsbau, Verkehrslinien,

Abgrabungen, Trockenlegung, Verfüllen von Gewässern, Nutzungsänderungen in Land-

und Forstwirtschaft,

-  intensive Flächennutzung in der Landwirtschaft mit Pflanzenschutzmitteln, Düngung,

Mehrfachmahd, hohem Viehbesatz, Entwässerung von Feuchtwiesen und Mooren,

Umwandlung von Grünland in Äcker

-  Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung in Grenzstandorten, die ökologisch wertvoll sind

(Magerrasen,  Heiden,  Feuchtwiesen)

-  Strukturarme Waldbestände ohne wertvolles Totholz

-  Begradigung von Flüssen, Nivellierung von Uferstrukturen

-  Säure- und Stickstoffeinträge durch Luftverunreinigungen aufgrund hoher Emissionen in

unsere Ökosysteme

-  Intensive Freizeitnutzung in der Natur

 

Die Gefährdung von Arten und die Beeinträchtigung und Zerstörung von Lebensräumen ist in Deutschland ein großes Problem und führt zu einer Verarmung und Nivellierung von Natur und Landschaft.

 

Es ist allerdings nicht so, dass die Gefährdung der Biologischen Vielfalt den verantwortlichen Politikern nicht bewusst ist.

Seit den 70-ger Jahren ist weltweit ein alarmierender Rückgang der Biologischen Vielfalt zu beobachten und die Weltgemeinschaft hat darauf reagiert. U.a. durch:

- ein Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD auf der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro. Hier ging es nicht um eine reine Naturschutzkonvention sondern um die Nutzung und damit das wirtschaftliche Potential der natürlichen Ressourcen als wesentlicher Aspekt der Erhaltung der Biologischen Vielfalt. Diesem Übereinkommen sind zwischenzeitlich 189 Staaten und die EU beigetreten.

- einen Beschluss der EU beim Europäischen Nachhaltigkeitsgipfel in Göteburg 2001, den Verlust an Biologischer Vielfalt bis 2010 zu stoppen.

- einen  Beschluss von Johannisburg beim Weltgipfel 2002, dass die Verlustrate an Biologischer Vielfalt bis 2010 signifikant reduziert werden sollte.

-  die Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinien und der Vogelschutz-Richtlinien sowie der Aufbau des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 als ein wichtiger Schritt auf dem Wege zum Erhalt der Biologischen Vielfalt.

 

Umweltbezogene Beihilfen für die Landwirtschaft – Agrarumweltmaßnahmen – Vertragsnaturschutz; Ausgleichszahlungen zur Offenhaltung von Landschaft und damit Erhalten von Lebensräumen; Flächenbezogene Beihilfen und Bindung von Zahlungen an das Einhalten definierter Standards in Bezug auf den Schutz der Umwelt, Gesundheit von Verbrauchern etc. tragen dazu bei die Biologische Vielfalt zu sichern.

 

War das Verschwinden von Lebensräumen und Arten bisher darauf zurück zuführen, dass Zerschneidung, intensive Landnutzung, Straßenbau, Siedlungsbau die hauptsächlichen Gründe waren, so kommt jetzt noch eine weitere Dimension hinzu:

 

Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf Lebensräume und Artenzusammensetzung.

 

Vieles ist hier heute schon zu beobachten, wie verändertes Zug- und Brutverhalten, Rückgang der Kälte liebenden Arten, vermehrtes Auftreten Wärme liebender Arten etc. Fest steht jedenfalls, dass der Klimawandel und die sich abzeichnende globale Erwärmung den Druck auf Lebensräume und Arten erhöhen. Eine Anpassung an andere Umweltbedingungen vollzieht sich in der Natur nur sehr langsam und dauert Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Auf Durchschnittstemperaturerhöhungen von 2 Grad in 20 Jahren können viele Arten und Ökosysteme nicht reagieren. Sie werden verschwinden.

 

Aber all die hehren Beschlüsse und wichtigen Papiere, die unsere Regierungen verabschieden, können der Biodiversität nur helfen, wenn sie wirklich auch durchgeführt werden. So brauchen wir wirksame Maßnahmen des Klimaschutzes und schnelle Reduzierung des CO2-Ausstoßes weltweit, da Klimawandel und damit einhergehend ansteigende Temperaturen tiefgreifend in unsere Artenvielfalt und Lebensräume eingreifen.

 

Wir müssen Ernst machen damit den Flächenverbrauch zu stoppen. Dieser hat sich zwar von 2000 – 2004 von 130 ha auf 100 ha täglich in der BRD reduziert (Hauptgrund war wohl die lahmende Baukonjunktur und leere öffentliche Kassen), zieht aber wieder an. Wann endlich, wie von der Regierung angekündigt, der Flächenverbrauch auf 30 ha täglich zurückgeführt werden kann, bleibt schleierhaft.

 

In der Naturschutzpolitik ist die Ausweisung großer Schutzräume und deren Vernetzung zu funktional zusammenhängenden Biotopverbundsystemen für die Erhaltung der Biologischen Vielfalt von zentraler Bedeutung. Nur in solchen großräumigen Schutzgebieten  kann die Veränderung etwas abgepuffert werden. Großräumige Schutzgebiete sind stressfreie Räume und ermöglichen den Genaustausch, sie nehmen quasi eine Hafenfunktion ein, die die Anpassungsfähigkeit fördert.

 

Ein großes Problem ist, dass die Erkenntnisse der Regierenden kaum in das Bewusstsein unserer Kommunalpolitiker dringen. Dabei ist die Arbeit zum Erhalt der Biodiversität besonders vor Ort notwendig. Vielleicht unterstützt man noch allgemein die Ziele. Vor der eigenen Haustür setzt man sie allerdings kaum um.

Es braucht nur das Zauberwort „Arbeitsplätze“ zu fallen, dann wird Natur gnadenlos geopfert und Naturschützer als arme Irre abgestempelt, die Hamster schützen oder dem Wiesenbläuling hinterher jagen; Artenvielfalt interessiert dann niemanden. FFH-Richtlinien, Vogelschutz-Richtlinien oder Wasser-Rahmen-Richtlinien werden auf lokaler Ebene oft nur als eine abstruse Erfindung der EU gesehen, um Menschen zu behindern und zu quälen. In Wahlkampfzeiten hört man dies nicht nur von Bürgern und kommunalen Politikern sondern auch von Vertretern der Landespolitik. Einzig auf den Verwaltungsebenen sieht man dies (gezwungener Maßen) anders, ist aber doch sehr schnell bereit, zu Lasten der Natur hier Zugeständnisse zu machen. Auch fehlt hier das notwendige Geld, um wirksam Maßnahmen einzuleiten.

Daher ist es wichtig, dass wir alle vom NABU für die Interessen der Natur streiten, sei es „nur“ als Mitglied oder als Aktive(r).

 

Helga Düben

Januar 2008