Vogel des Jahres 2019

Die Feldlerche im Sinkflug

Wegfall von Brachen und Insekten bedrohen den heimischen Singvogel

„Die Lerche schwingt sich in die Luft …“ 

Diese Zeile aus dem bekannten Kirchenlied „Geh aus mein Herz und suche Freud'“ von Paul Gerhard gehört seit meiner Kindheit zum Sommer dazu. Und wann immer ich die Feldlerche zwitschernd über den Wiesen aufsteigen

sehe, kommt mir dieses Lied in den Sinn. Leider wird der Anblick der sich in die Lüfte schwingenden Lerche immer seltener.

Zum zweiten Mal nach 1998 haben der NABU und der LBV (Landesbund für Vogelschutz in Bayern) deshalb in diesem Jahr die Feldlerche zum Vogel des Jahres gekürt.

In früheren Zeiten galt die Feldlerche wegen ihres Strebens Richtung Himmel als christliches Symbol. Das hielt die Menschen aber nicht davon ab, sie als Käfigvogel zu halten - wegen ihres Gesangs und als Nahrungsmittel. Schließlich aber setzte sich die Erkenntnis durch, dass der im Haus leicht zu zähmende Vogel nützlicher zur Insektenvertilgung und Unkrautvernichtung frei auf dem Feld sei. 1876 verbot schließlich der sächsische König die Lerchenjagd und 1888 wurde die Feldlerche reichsweit ganzjährig geschützt.

 

Jedoch wurde durch Vernichtung des Lebensraums

und intensive Bewirtschaftung der Flächen die Zahl der Brutpaare immer weniger, in vielen Gegenden verschwand die Lerche aus dem Landschaftsbild. Schon am Ende des 20. Jahrhunderts, als die Feldlerche zum erstenmal Vogel des Jahres wurde, war ihr Bestand bedenklich, in manchen Regionen

war sie bereits verschwunden. Leider konnte seitdem keine positive Entwicklung festgestellt werden, im Gegenteil: Offizielle Monitoringdaten des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) zeigen zwischen 1990 und 2015 einen Bestandseinbruch um

38 Prozent, also um deutlich mehr als ein Drittel. 1998 stand die Feldlerche auf der Vorwarnliste der bedrohten Tierarten, heute ist sie als gefährdet eingestuft. Durch den Wegfall der Flächenstillegungen ab dem Jahr 2007 ist der Rückgang der Feldlerche in Nordwest-Deutschland

deutlich stärker als im Osten, während der Süden mittlere Rückgangsraten aufweist. Mit dieser negativen Entwicklung steht Deutschland nicht allein da: In ganz Europa sieht es ähnlich dramatisch aus: Seit 1980 sind schon mehr als die Hälfte aller Feldlerchen verschwunden.

 

 Foto: NABU /  BirdLife International

Viele Landwirte schaffen sich durch den Anbau von Energiepflanzen wie Mais ein zweites Standbein und nutzen dazu jetzt vermehrt die Brachen, die bis 2007 noch gesetzlich vorgeschrieben waren. Aber gerade diese Brachen, in denen sich Wildkräuter ansiedeln können, sind Lebensraum für zahlreiche Tierarten, unter anderem dienen sie vielen Vogelarten als Brutplatz, darunter auch der Feldlerche. Die Feldlerche bleibt das ganze Jahr über bei uns und weicht nur bei größeren schneereichen Kälteeinbrüchen kurzfristig in wärmere Gefilde aus. Mit einer Körperlänge von 16 bis 18 Zentimetern und der beige bis rötlich-braunen Gefiederfärbung ist die Feldlerche in ihrem bevorzugten Umfeld, dem Ackerboden, fast nicht zu sehen. Akustisch macht sie sich umso deutlicher bemerkbar: Typisch ist ihr Singflug, bei dem sie hoch in die Lüfte steigt, dort verharrt und trillernde, zirpende und rollende Laute vorträgt. Damit verkündet sie so von morgens bis abends den Frühling, wie in dem eingangs zitierten Lied, in dem es über die Freude an der warmen Jahreszeit geht.

 

Als Bodenbrüter ist die Feldlerche zwingend auf unbelastete Äcker und brachliegende Wiesen angewiesen. Ab Mitte April errichtet das Weibchen in einer selbstgescharrten Bodenmulde das Nest, in das sie bis zu sieben Eier legt. Etwa 30 Tage dauert es, bis der Nachwuchs das Nest verlassen kann um sich ebenfalls in die Lüfte zu schwingen.

Der Speiseplan der Feldlerche ist vielfältig, sie ernährt sich von dem was die Natur jahreszeitlich bietet. Wird tierische Nahrung im Winter knapp, ernährt sie sich von Pflanzenteilen und nahrhaften Sämereien. Große Getreidestoppelfelder oder Flächen, die sich nach der Ernte selbst begrünen, wären ergiebige Plätze für die Futtersuche. Diese sind aber aufgrund der schnellen Neueinsaat im Herbst selten geworden. Im Frühling stellen die Lerchen ihre Ernährung wieder um, sie erbeuten Spinnentiere, Regenwürmer und kleine Schnecken, vor allem Insekten und deren Larven. Diese Kost ist während der Brutsaison überlebenswichtig, steht aber immer weniger zur Verfügung. Das Insektensterben hat auch auf die Feldlerche verheerende Auswirkungen. So gilt auch 2019 der Apell von NABU und LBV von 1998 unverändert: „Politiker, Landwirte und Konsumenten müssen erkennen, dass unsere Kulturlandschaft nicht ausschließlich Produktionsstandort ist. Sie ist auch Lebensraum spezifischer Tier- und Pflanzenarten und Erholungsraum für den Menschen. Eine Landwirtschaft, die diese Aspekte berücksichtigt, ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie muss von uns allen gefordert, unterstützt und bezahlt werden.“

 

Um weiteren Bestandseinbrüchen der Feldlerche entgegenzuwirken, müssen Schutzmaßnahmen auf eine Verbesserung der Lebensräume während der Brutsaison abzielen. Feldlerchen müssen wieder die Möglichkeit bekommen, mehr als eine Jahresbrut aufzuziehen. Wer sich genauer informieren möchte, welche Möglichkeiten es gibt - als Bürger, als Landwirt oder als Politiker - den Erhalt der Feldlerche zu fördern _ ndet ausführliche Hinweise auf www.nabu.de unter der Rubrik Vogel des Jahres.

 

Monika Münker

2019